Auslobung

Mainz | Neubau Rechenzentrum Johannes Gutenberg-Universität

Der Auslober wünschte sich einen Entwurf, der den Campus der Johannes-Gutenberg-Universität in seiner Lebendigkeit adäquat repräsentiert und die Studierenden unmittelbar anspricht.

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Eingeladene Künstlerinnen und Künstler:
Monika Goetz
Thorsten Goldberg
Thomas Henninger 
Gerhard Meyer
Sabine Straub
Two Concrete (Hannah Rath und Franziska Opel)
Ute Verkoeper

Wettbewerbsaufgabe (Auszug):
Das Leitbild der Universität stellt den Menschen in den Mittelpunkt; der Neubau Rechenzentrum selbst stellt einen wesentlichen Baustein für die digitalen Prozesse und die Kommunikation des gesamten Campus dar. Beides soll sich in der Art einer assoziativen Annäherung (ohne explizite Thematisierung des Rechenzentrums) in der künstlerischen Ausgestaltung wiederfinden. 
Es können sämtliche Formen der bildenden Kunst zur Anwendung kommen: Lichtkunst, zeitbasierte Medien, Installationen oder Schriftkunst und weitere. Der Entwurf kann die pulsierende Bewegung der vielfältigen Interaktionen auf dem Campus zum Inhalt haben, er soll zeitgemäße Formen der Auseinandersetzung mit Themen wie Energie, Mensch und Umwelt, Kommunikation und Entwicklung zeigen. 

Entscheidung Preisgericht:
Das Preisgericht tagte am 19.06.2024 im Gebäude 2521 TBZ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 
Von den ausgewählten Künstlerinnen und Künstler haben alle fristgerecht Ihre Arbeiten eingereicht.

Nach intensiver Diskussion beschließt die Jury einstimmig drei Platzierungen und entscheidet sich für die Tarnzahl 261260, mit der Empfehlung, den Entwurf mit der Ausführung des künstlerischen Werks zu beauftragen.

1. Platz

Tarnzahl:   261260
Künstler:   Thorsten Goldberg
Titel:           I can see the whole room! 

Begründung der Jury:
Die Botschaft der Leuchtbuchstaben auf der Ecke des Neubaus ist rätselhaft, fast befremdlich. Die möglichen Bedeutungsebenen erschließen sich erst nach und nach. Zunächst könnte man die Leere des Raums auf das Rechenzentrum beziehen, in dem zwar das kommunikative Herz der JGU schlägt, welches aber hauptsächlich durch technisch-digitale Prozesse betrieben wird.
Von dieser Überlegung könnte man die Frage erweitern, welche Präsenz die „bodies“ in der Digitalität noch haben, welchen Stellenwert die physisch erfahrbare Zwischenmenschlichkeit in Zukunft einnehmen wird. Dies betrifft natürlich auch die universitäre Präsenz, die durch Corona ihre Selbstverständlichkeit verloren hat. Und schließlich könnte durch die Feststellung der Leere des Raumes auch eine wesentliche Zukunftsfrage der Menschheit betroffen sein: Wie lange werden wir und andere Lebewesen noch den Raum bewohnen und beleben?
Das Preisgericht sieht in der Arbeit "I can see the whole room! …and there is nobody in it!” eine herausragend intelligente Bezugnahme auf den Ort- die Universität- an dem Fragen gestellt und manchmal Antworten gefunden werden. Auch die Umsetzung wird positiv gewürdigt:
Die Buchstabenfolge ist räumlich gut platziert, sie hebt die dreidimensionale Gebäudewirkung hervor und betont auf ästhetisch ansprechende Weise den Eingang zur Universität. Die Wahl des Schrifttyps “courier” ist ebenfalls vielschichtig interpretierbar.

Konzeptidee vom Künstler (Auszug):
Wie eine klassische Werbeleuchtschrift steht der Satz: I can see the whole room! … and there´s nobody in it! freigestellt als oberer Abschluss auf der Dachkante des Gebäudes – der erste Teil über der Nordwest Fassade und der zweite Teil des Satzes über der Südwestseite.
Der Satz zitiert das Bild eines Mannes, der durch ein rundes Loch aus einer schwarzen Leinwand herausschaut von 1961 von Roy Lichtenstein. In einer Sprechblase darüber steht der Satz, den der Mann zu jemandem sagt. Roy Lichtenstein hat das Bild wiederum aus einem Steve Roper Cartoon von William Overgard von 1961 übernommen, in dem dem Satz noch ein „Trooper! …“ als angesprochene Person vorangestellt war. Wie andere Arbeiten Lichtensteins thematisiert es das Sehen, Lesen und Erkennen durch einen technischen Apparat und dessen Ungewissheit. Hier steht die Textbotschaft als leuchtende Überschrift zu dem geschlossenen Gebäudekörper des Rechenzentrums. Der Satz geht eine Verbindung mit der Architektur ein und scheint diese zu befragen.
Aber bezieht sich „ich kann den ganzen Raum / Ort sehen!“ nur auf das Gebäude oder auch auf die nähere Umgebung, die Kreuzung oder die Landschaft … und wer könnte von welchem Standpunkt aus, so eine Aussage machen?
„room“ bedeutet: Platz, Raum, Zimmer, Ort, Spielraum, und neben einem umbauten Raum, spricht man auch von „room for improvement“, „room to move“ oder „room for hope“ oder „s. o. left no room for doubt“.
Das alles scheint irgendjemand überblicken zu können, kann aber niemanden sehen oder erkennen und kommt zu dem Schluss, dass dieser Ort leer ist. (…)


2. Platz

Tarnzahlen:   423736
Künstlerin:    Ute Vorkoeper
Titel:              Immateria

Begründung der Jury:
Die Arbeit sticht durch ihre grafische Herangehensweise und die subtile Bezugnahme auf den Ort heraus. Die Materialsprache ist sehr zurückhaltend und fügt sich in die ästhetische Gesamtwirkung des Gebäudes wie selbstverständlich ein. 
Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, dass die Verortung der spiegelnden Fassadenelemente das Gebäude „verpixelt“, und damit in eine andere Wahrnehmungsebene transferiert.

Konzeptidee vom Künstler (Auszug):
(…) Immateria (Nicht-Ort) erfasst das gesamte Gebäude und pointiert die genannten Paradoxien: Auf der Oberfläche zeichnet sich eine Struktur ab, die weder (Ab-)Bild noch Muster noch Zeichen oder dechiffrierbarer Code ist. Zu sehen sind abstrakte Einheiten, angeordnet in einem quadratischen Raster, plan eingelassen in die bestehende Fassade. Die Formensprache erinnert an Pixelbilder oder an Spiele wie Tetris und Minecraft, d.h. die hell-dunklen Quadrate des Schemas stehen für digitale Einheiten (0/1) und lassen an Datenpakete denken. Zudem verändern die silber-anthrazitfarbenen Pixel ihre Erscheinung bei jedem Licht-, Wetter- und Bewegungswechsel drastisch. Mal schimmern sie dunkel bis schwarz, mal strahlen sie hell bis grell, dann wieder werden sie fast unsichtbar.
An der Oberfläche zeigt sich weiterhin kein Inneres, stattdessen irritiert die plan eingelassene Struktur die klare, hermetische Kubatur des Gebäudes und macht die Ambivalenz von Innen-Außen, Verborgenheit und Sichtbarkeit, Materie und immateriellem Prozess ansichtig. Sie deutet die unsichtbaren Prozesse im Inneren als bewegte, optisch erfahrbare, dabei weder les- noch begreifbare Performance. Unklar bleibt, ob man einer Konfiguration oder Dekonfiguration zusieht, d.h. ob sich das Gebäude auflöst oder ob sich an dieser Stelle etwas neu sammelt.


3. Platz

Tarnzahlen:   121815
Künstler:        Thomas Henninger
Titel:               Partikelflug


Begründung der Jury:
Die künstlerische Intervention „Partikelflug“ wirkt spielerisch und leicht, die skulpturalen Gebilde scheinen nur oberflächlich an den Baukörper zu haften. 
Auf den zweiten Blick wirkt die Arbeit vielschichtig und assoziativ. 
Der Kontext „Natur vs. Technik“ ist ablesbar, aber auch das Thema der Fragilität und der Bedrohung durch Viren.

Konzeptidee vom Künstler (Auszug):
(…). Durch die abstrakte, einfache Grundform des Kubus einerseits und seinem hochkomplexen, fast mystisch-unerklärlichen Inhalt andererseits tauchen Erinnerungen an Stanley Kubricks schwarzen Quader aus dem Film „2001“ auf, der den Beginn eines neuen Zeitalters, einen Quantensprung in der Menschheitsgeschichte ankündigt.
Doch hier tritt noch etwas anderes in Erscheinung: An der glatten Außenhülle haben sich goldglänzende Objekte festgesetzt, ähnlich den Samen einer Pusteblume scheinen sie vom angrenzenden Feld her geweht worden zu sein. Schon aus der Ferne gut zu erkennen, beziehen die goldenen Objekte in ihrer scheinbar zufälligen Verteilung das ganze Gebäude mit ein und bilden in ihrer Leichtigkeit einen großen Kontrast zur statischen Wirkung des Gebäudes.
Sind es fremdartige organische Partikel aus dem nahegelegenen Botanischen Garten? Informationsträger, die sich am Gebäude festhalten, um dort zu keimen und so die DNA ihrer neuen Ideen entfalten zu lassen? Vielleicht ist es auch ein Bild für die unzähligen Ideen, Erfahrungen und Informationen, die die Studierenden aus der ganzen Welt an die Gutenberg-Universität bringen, um sie an diesem Wissensort wachsen zu lassen.
Aus einer weniger humanistischen Perspektive können die glänzenden Objekte auch als Metaphern für Programmcode-Schnipsel, Cookies oder Ideenkapseln und somit als bildliche Darstellung von Computerviren gedeutet werden, die glücklicherweise von der Außenhülle abgeschirmt werden. So bildhalft klar die hier vorgestellte künstlerische Intervention sich zeigt, so entzieht sie sich dennoch einer eindeutigen Interpretation und öffnet einen vielschichtigen Deutungsspielraum. Offen in der Interpretation, berührt sie Themen wie die Fragilität unserer komplexen Zeit, Vergänglichkeit und Veränderlichkeit – und nicht zuletzt die heute so wichtige Frage nach dem Zusammenspiel von Mensch, Natur und Technik.
 

Ausgelobte Summe
103.000,00 € (brutto) inkl. Material und Honorar
Art des Verfahrens
Nichtoffener Wettbewerb mit vorgeschaltetem offenem Bewerberverfahren
Termine
17.07.2024
Veröffentlichung Entscheidung
Auslober
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Abt. Planung und Baumanagement
Galerie (4 Bilder)
Schriftzug beleuchtet auf dem Dach
1. Platz Entwurf I can see the whole room! von Thorsten Goldberg
Schriftzug beleuchtet auf dem Dach
1. Platz Entwurf I can see the whole room! von Thorsten Goldberg
Platten als Kunstwerk an der Fassade
2. Platz Entwurf Immateria von Ute Vorkoeper
skulpturalen Gebilde scheinen nur oberflächlich an den Baukörper zu haften
3. Platz Entwurf Partikelflug von Thomas Henninger
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